Euphemismus kann manchmal seine Reize haben und findet seinen Ritterschlag meist in der Diplomatie. Manchmal begegnet einem aber auch ein Euphemismus der einen wirklich fiesen und feigen Beigeschmack hat.
So wurde heute Morgen mit entsprechender Betroffenheit in den Medien verkündet, dass in Bayern
mehr Kinder aus Akademikerfamilien Abitur machen als aus „Bildungsfernen“ Familien.
Wo geht eigentlich die Reise hin? Warum kann man nicht zwischen gebildet und ungebildet unterscheiden? Gibt es dann in Zukunft Ingenieure und Beinaheingenieure?
Ich bin nur froh, dass bisher heute noch niemand den Ausdruck „Bildungsferne Familien mit Migrationshintergrund“ verwendet hat… :sick:
Copyright des Bildes: Mr. Mendweg
1.: ich gebe Dir vollkommen Recht.
Und 2.: (das ist zwar politisch vollkommen unkorrekt, aber…)War das nicht schon immer so?!
Und wenn wir nur noch Akademiker haben – wer macht dann alles andere, wozu man nicht studieren muß?
Ich mein ja nur…
Irgendwie. Aber egal. Selbsverständlich MÜSSEN heute ALLE studieren. Klar.
Vielleicht liegt es am fehlenden Respekt „Einfachen“ Berufen gegenüber? Oder vielleicht grundsätzlich mal überhaupt am Respekt anderen gegenüber?
Verschreien sie den letzten Satz nicht. Es passiert sonst schneller als man denkt. :(
Ja…kann schon passieren
Weil ungebildet nicht immer doof bedeutet und gebildet nicht zwangsweise was mit Abitur zu tun hat. Ich kenne eine Menge Menschen ohne Abitur, die sehr gebildet sind: belesen, kulturell und technisch interessiert, kurz gesagt, die mit einer abrufbereiten soliden Wissensbasis ausgestattet sind (heisst: sie brauchen nicht staendig bei Wikipedia nachschlagen und keinen Taschenrechner fuer die Grundrechenarten), ueber ihren Tellerand hinaussehen und offen fuer Neues sind. Das wuerde ich nicht von allen Abiturienten behaupten wollen. Natuerlich ist die Wortwahl schwammig. Aber heutzutage ist ein Abitur kein wirklicher Nachweis von Bildung im eigentlichen (humboltschen) Sinne mehr, es ist einfach die Vorraussetzung, um an einer deutschen Universitaet ein Studium aufnehmen zu koennen.
Fuer Ihren letzten Satz gibt es doch schon einen Euphemismus: Parallelgesellschaft. Das ist da, wo kein Integrationswille herrscht und die in Deutschland geborenen Kinder der Migranten keinen anderen Job gefunden haben als „im (Gross-)Onkel seinem Gemueseladen“ – mangels Schulabschlus wegen ungenuegenden Sprachkenntnissen.
Liebe Frau Anja,
aber genau das wird eben durch solche schwachsinnigen Wortgebilde impliziert. Auch jemand Ungebildetes kann mit der guten alten Bauernschläue jedem Universitätsprofessor was vormachen. Deswegen gehen mir diese Sprachverschleierungen so auf den Keks…
„…So wurde heute Morgen mit entsprechender Betroffenheit in den Medien verkündet, dass in Bayern
mehr Kinder aus Akademikerfamilien Abitur machen als aus “Bildungsfernen” Familien…“
Ich würde mal sagen, das ist vor allem eine Sache des Geldes! Kaum zu glauben, welche Kosten jedes Jahr seitens der Schule des kleinen Goth so anfallen, um alle Lehrer glücklich zu machen… der Taschenrechner von vor 3 Jahren allein hat über 130,00 Euronen gekostet, die Bücher und Schnickschnack regelmäßig im Laufe eines Jahres mit ca. 150,00 Euro zu Buche schlagen… von Heften, Farben, Stiften und Gedöns will ich gar nicht erst anfangen. Außerdem muss man es sich als Eltern auch leisten können, dem Nachwuchs den längeren Schulbesuch zu finanzieren. Das dürfte so einigen Familien schwer fallen, sprich, die jungen Leute gehen besser in die Lehre.
Da frage ich mich – auch ohne Abitur – wie weltfremd muss man eigentlich sein, um so eine „Erkenntnis“ überhaupt zu publizieren. Mal ehrlich, war das nicht eh schon jedem klar? ;-(
…aber es macht mal wieder eine hübsche gesellschaftskritische Schlagzeile. Die „Unterschicht“ kommt sich ausgebeutet vor und die „Oberschicht“ geniesst den elitären Status.
Ungebildet?! Herrn Mendweg! Das kann man doch so nicht sagen! Da würde man ja potentielle Wähler und Leser vergraulen. Bildungsfern klingt doch viel beruhigender, da nicht die Länge der Entfernung zu bestimmen ist. Dadurch fühlt sich der Einzelne näher an der Bildung, als er vielleicht ist.
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und auch für die 25% Kinder, deren Eltern arm sind, den Begriff „vermögensfern“ einführen. Das würde das schlechte Gewissen der Spitzenverdiener bestimmt enorm entlasten. Wer will schon, während die Haushälterin der Familie das Frühstück serviert, in der Zeitung Begriffe wie „ungebildet“ oder „arm“ lesen. Da ist doch der ganze Tag versaut.
Wir leben in einer Zeit der Heuchelei und der Beschönigung von Zahlen und Fakten bis hin zur bewussten Irreführung. Geld wird mehr und mehr der einzige Wert in unserer Gesellschaft. Und „sozial“ verliert zunehmend an Bedeutung.
Sozialfern?
Ich hätte dafür eine ganz andere Bezeichnung, aber die kann ich hier unmöglich posten. :wink:
Mach ruhig – ich zensiere extrem selten…